Aktuelle Meldungen zum Rückgang der Vielfalt und zu einem stark verminderten Aufkommen von Insekten legen ursächliche Spuren zur Nutzung und Pflege unserer Landschaften offen.
Außerhalb der land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen stellen Brachflächen, extensive genutzte Wiesen, Straßen – und Wegeränder oft die größte pflanzliche Artenvielfalt als Grundlage zur Erhaltung einer breit gefächerten Insektenwelt zur Verfügung.
Der Pflege dieser Flächen verdient deshalb eine verstärkte Aufmerksamkeit, sie ist von großer ökologischer Bedeutung. Soweit sie in kommunalen Besitz bzw. Zuständigkeit sind, kann eine fachlich versierte Pflege (z. B. Mähen nach Samenreife, Abfuhr getrocknetes Mähgut, etc) diesbezüglich eine effektive Aufwertung unserer Kulturlandschaft bewirken.
Zur Klärung des Bewusstseins und der gemeindlichen Strategie für diesen praktischen Naturschutz bitten wir um Beantwortung folgender Fragen.
- In welchem Umfang und in welcher Form existieren hierzu Pflegepläne?
- In welchem Umfang und in welcher Form sind vorgenannte ökologische Ziele in diesen Plänen adressiert?
- Auf welcher Grundlage und durch wen wurden diese Ziele abgeleitet?
- Wie ist diese Ableitung dokumentiert und wie wird sie an die ausführenden Personen geschult? Wie ist die Fortbildung dazu gewährleistet?
- Wie und durch wen wird die Umsetzung und der ökologische Erfolg von Pflegemaßnahmen kontrolliert (Zeitpunkt der Pflege, Mähen/Abfuhr vs. Mulchen, Verbesserung der Pflanzenvielfalt, etc) und dokumentiert? Wird hierzu regulär ein Review durchgeführt?
- Welche Maßnahmen zur Eindämmung kritischer Pflanzen wie Riesenbärenklau, Ambrosia, Kreuzkraut etc. werden ausgeführt?
- In welchem Umfang werden in Biebergemünd chemische Mittel zur Pflanzenbekämpfung eingesetzt (Menge und Art)?
- Welche im vorgenannten Sinne ökologisch bedeutsamen kommunalen Flächen werden zur Erhaltung unserer Artenvielfalt in besonderer Form gepflegt (Hecken, Brachen, Magerwiesen, Feuchtmulden etc)?
- Gibt es für solche Flächen ein gemarkungsweites Entwicklungs- und Pflegekataster?
- Gibt es Initiativen (Information, Kommunikation, Netzwerkabstimmungen) für ergänzende private (Vereine) Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt?
- Wie und in welcher Form kann diese Strategie – saisonal – interessierten Bürgern zur Verfügung gestellt werden?
Biebergemünd, 20.01.2019
Berthold Schum
SPD-Fraktionsvorsitzender
Antwort des Gemeindevorstandes:
Erhaltung der Pflanzenvielfalt bei der Pflege von Wegerändern und ökologisch bedeutsamen kommunalen Flächen
Der Erhalt der ökologischen Vielfalt in der Gemeinde Biebergemünd wird im Bau- und Liegenschaftsamt groß geschrieben. Es wird sich bemüht, den Interessenspagat zwischen dem Naturschutz, dem Erhalt der Kulturlandschaft, der Landwirtschaft und dem Freizeitverhalten der Bevölkerung zu schlagen. Das Naturschutzprojekt des Main-Kinzig-Kreises, Bund- und Landschaftspflegeverband Main-Kinzig eG, fällt in Biebergemünd auf fruchtbaren Boden.
Zur Klärung des Bewusstseins und der gemeindlichen Strategie für praktischen Naturschutz werden im SPD-Antrag gestellte Fragen beantwortet:
- In welchem Umfang und in welcher Form existieren Pflegepläne?
Es existieren keine Pflegepläne in herkömmlichen Sinn, aber Absprachen und auch vertragliche Bindungen in Bezug auf Naturschutzflächen, landwirtschaftliche Flächen und Unterhaltungsarbeiten an Wegeflächen. Eine flexible Handhabung der Arbeiten ist wichtig, die sich nach den jährlich unterschiedlichen Witterungs- und Vegetationsbedingungen orientiert. In der Regel ist es so, dass Mulcharbeiten an den Wegeflächen erst Anfang Juni oder ab dem 15.06. begonnen werden. Die Mulcharbeiten an den Wegeflächen erfolgen ein- bis zweimal im Jahr. Dieser Mulcheinsatz richtet sich nach der Frequentierung der Wege. In ortsnahen Bereichen wird häufiger gemulcht als in weiter entfernten Gemarkungsteilen. Ab 2019 werden für bestimmte Bereiche die Mulchintervlle auf 2 – 3 Jahre verlängert.
- In welchem Umfang und in welcher Form sind vorgenannte ökologische Ziele in diesen Plänen adressiert?
Die ökologischen und naturschutzrechtlichen Vorgaben sind meist der Hauptgrund der Absprachen oder der vertraglichen Grundlagen. Gerade in der Bauleitplanung ist es enorm wichtig, die naturschutzrechtlichen Vorgaben zu erfüllen.
- Auf welcher Grundlage und durch wen wurden diese Ziele abgeleitet?
Die Pflegeziele werden in erster Linie zwischen der Bauverwaltung, den beauftragten Landwirten und dem Bauhof besprochen. Des Weiteren finden Absprachen mit den übergeordneten Behörden (Untere Wasserbehörde und Untere Naturschutzbehörde) statt. Auch finden Absprachen mit der Naturlandstiftung und dem NABU, Ortsgruppe Biebergemünd/Flörsbachtal, statt.
- Wie ist diese Ableitung dokumentiert und wie werden die ausführenden Personen geschult? Wie ist die Fortbildung dazu gewährleistet?
In erster Linie findet ein reger Kommunikationsaustausch zwischen den Beteiligten statt. Die Weiterbildung erfolgt zwischen der Bauverwaltung und den Fachbehörden, Landschaftsplaner, Naturlandstiftung Hessen-Forst, Sachbearbeiter im Naturschutzbereich von den Nachbargemeinden, Vereinen und der Naturlandstiftung durch schriftliche Informationen oder Veranstaltungen. Fortbildungsangebote werden, wenn sie passen, von der Bauverwaltung genutzt.
- Wie und durch wen wird die Umsetzung und der ökologische Erfolg von Pflegemaßnahmen kontrolliert und dokumentiert?
Für bestimmte Maßnahmen werden entsprechende Fachleute (Biologen) hinzugezogen. So wird z. B. ein umfangreiches Monitoring zum Schutz des Ameisenbläulings um das Rathaus/ „Burgwerksrain“ durchgeführt, das auch für das „Webersfeld“ in Bieber Mitberücksichtigung fand. Entsprechende Ergebnisberichte werden an die übergeordneten Behörden weitergeleitet. Mit den Nutzern der Flächen werden Verträge abgeschlossen, die mit bestimmten Auflagen verbunden sind. Ggfs. werden auch Nutzungsentschädigungen gezahlt. Die Kontrolle erfolgt durch die Bauverwaltung.
- Welche Maßnahmen zur Eindämmung kritischer Pflanzen, wie Riesenbärenklau, Ambrosia, Kreuzkraut etc. werden ausgeführt?
Wo es möglich ist, werden diese Neophyten mit Maschinen oder auch manuell entfernt. So konnte der Riesenbärenklau in vielen Bereichen erfolgreich bekämpft werden. Es gibt jedoch noch Flächen, die nicht so leicht vom Riesenbärenklau freizuhalten sind. Das gleiche gilt für den Schlangenknöterich und den Jakobkreuzkraut. All diese invasiven Pflanzenarten stellen eine Herausforderung dar, die uns in den nächsten Jahren noch beschäftigen wird. Durch persönliche Gespräche mit Grundstückseigentümern und gezielte Aktionen wird versucht, die Problematik, die mit diesen Pflanzenarten verbunden ist, entgegenzuwirken.
- In welchem Umfang werden in Biebergemünd chemische Mittel zur Pflanzenbekämpfung eingesetzt?
Die Gemeinde Biebergemünd setzt schon seit einigen Jahren keine chemischen Mittel zur Pflanzenbekämpfung ein. In öffentlichen Anlagen (Friedhöfe, Spielplätze u.ä.) oder öffentlichen Plätzen wird die Unkrautbekämpfung manuell oder maschinell vorgenommen. Ein Wildkrautbesen kommt zum Einsatz
- Welche im vorgenannten Sinne ökologisch bedeutsamen kommunalen Flächen werden zur Erhaltung unserer Artenvielfalt in besonderer Form gepflegt?
Bedeutsame Flächen werden in unterschiedlicher Art und Weise gepflegt:
Es gibt verschiedene Flächen, die in der Obhut des Bauhofes stehen. Hierfür gibt es schriftliche Anweisungen an den Bauhof, wie die Flächen zu bewirtschaften sind.
Flächen, für die eine extensive Bewirtschaftung vorgesehen sind, wurden an verschiedene Landwirte verpachtet. Diese Pachtverträge sind mit entsprechenden Auflagen versehen. Streuobstwiesen werden ebenfalls durch Patenschaften von Privatpersonen, dem Gartenbauverein Lanzingen oder durch den Bauhof erhalten und gepflegt.
Heckenbereiche, Waldflächen oder bewachsene Hohlwege werden in Absprache mit Hessenforst durch den Bauhof, Privatpersonen oder Lohnunternehmen unterhalten. Pflegemaßnahmen werden punktuell und nie flächenmäßig durchgeführt. Die Verkehrssicherheit an Heckenzügen, Wegrändern und Gewässerläufen ist jedoch zu erfüllen. Pflegearbeiten an Gewässer werden mit der Unteren Wasserbehörde abgestimmt.
- Gibt es für solche Flächen ein gemarkungsweites Entwicklungs- und Pflegekataster?
Nein.
- Gibt es Initiativen für ergänzende private Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt?
Dies ist uns zurzeit nicht bekannt. Es ist jedoch der Bauverwaltung daran gelegen, Initialmaßnahmen durchzuführen, um die Akzeptanz in der Bevölkerung für Naturschutzmaßnahmen auch im privaten Bereich zu bewerben. Die Gemeinde Biebergemünd beteiligt sich auch an dem Projekt des Main-Kinzig-Kreises – der Main-Kinzig-Kreis blüht -. In diesem Zusammenhang wurden bereits verschiedene Flächen gefunden, die mit Blühflächen aufgewertet werden. So ist vorgesehen, im Ortsteil Kassel bei der Feuerwehr Nord den Bereich zwischen Gebäude und der „Wirtheimer Straße“ aufzuwerten. Hier werden Blühbereiche in einer artenarmen Rasenfläche angelegt. Auf dem alten Friedhof in Kassel soll auf ca. 50 m Länge im unteren Bereich im Anschluss an die Wohnbebauung eine ca. 3m breite Hecke aus Wildrosen und insektenfreundlichen Gartenrosen gepflanzt werden. In den Zwischenräumen wird ein Wildblumensaum angesät. Auf dem neuen Friedhof in Kassel sollen neue Urnengräber angelegt werden, die ebenfalls mit insektenfreundlichen Blütenstauden gestaltet werden. In den Ortsteilen Lanzingen, Breitenborner Straße, und in Roßbach, Lanzinger Weg, wurden Straßenbegleitgrün mit Wildblumenflächen im vergangenen Jahr neu gestaltet. In Bieber ist auf dem ev. Friedhof eine Neuanlage von Rasengrabstätten und Gemeinschaftsgrabstätten geplant. In diesem Bereich werden ebenfalls insektenfreundliche Blühflächen angelegt.
Gemeindeeigene Flächen, die landwirtschaftlich genutzt werden, sind oft in entsprechenden Agraranträgen der Landwirte integriert. In diesen Maßnahmen sind Auflagen wie Mahdzeiten, Nutzungsformen, festgeschrieben.
- Wie und in welcher Form kann diese Strategie – saisonal – interessierten Bürgern zur Verfügung gestellt werden?
Im März diesen Jahres ist eine Informationsveranstaltung geplant, um auch in den privaten Bereichen für eine naturnahe insektenfreundliche Gartengestaltung zu werben.
Aufgenommen am 30.01.2019