Nachdem wir im Bericht zum Haushaltsvollzug im November 22 ernüchtert das Ende des Höhenfluges unserer Gewerbesteuereinnahmen zur Kenntnis nehmen mussten, haben wir mit Spannung auf den ersten Haushaltsentwurf unter alleiniger Verantwortung von Bürgermeister Matthias Schmitt gewartet.
Natürlich weiß die SPD-Fraktion um den Überhang beschlossener bzw. beabsichtigter Bauprojekte in Biebergemünd und hat die außergewöhnliche Personalentwicklung in der dafür überwiegend zuständigen Bauverwaltung mit Bedauern zur Kenntnis genommen und von daher Verständnis für die um ca. 3 Monate verspätete Haushaltseinbringung.
Wir können aber nicht nachvollziehen, dass parallel dazu jegliche parlamentarische Arbeit und Kommunikation auch im Hinblick auf Weichenstellungen zum Haushalt 2023 ausgefallen ist. Hier erwarten wir zukünftig vom Gemeindevorstand, dass er zu allen Angelegenheiten der Gemeindevertretung zeitnahe Unterlagen für die Beratungen in den Fachausschüssen ausarbeitet. Die Vorsitzenden von Vertretung und Ausschüssen sollten dazu einen inhaltlichen Fahrplan mit dem Gemeindevorstand vereinbaren.
Wir haben aber auch Verständnis für besorgte Bürgern und Parlamentarier, die eine Erklärung für den Weggang wichtiger Gemeindeangestellter oder zumindest eine Information zur Verbesserung der Situation erwartet haben. Hierbei geht es uns nicht darum, Personalia in der Öffentlichkeit zu diskutieren, sondern die äußeren Umstände zu begreifen und so zu einer Attraktivitätssteigerung des Arbeitgebers Gemeinde beitragen zu können.
In dieser Situation wäre nach unserer Einschätzung eine offensive Kommunikation in die Bürgerschaft und das Parlament sehr vorteilhaft gewesen, insbesondere hätte man damit Spekulationen die Grundlage entziehen können.
Die Bündelung aller Verwaltungs- und Investitionsplanungen zu einem Haushaltsentwurf, der ja parallel zum Tagesgeschäft der Verwaltung erstellt werden muss, ist immer eine große kreative Herausforderung und ein anspruchsvoller Konzentrationsakt.
Was man als herausfordernde Aufgabe für die Verwaltungsprofis beschreiben muss, gilt natürlich auch für die parlamentarische Beratung des Haushaltsentwurfes und die ist für ehrenamtliche Gemeindevertreter zusätzlich zu ihren beruflichen und privaten Pflichten sehr belastend.
Hierin besteht aber schlichtweg der gesetzliche Auftrag der gewählten Gemeindevertretung, der da lautet
Die Gemeindevertretung überwacht die gesamte Verwaltung der Gemeinde und die Geschäftsführung des Gemeindevorstands, insbesondere die Verwendung der Gemeindeeinnahmen und beschließt den Haushalt.
Bei der Einbringung des Haushaltsentwurfes 2023 hat Bürgermeister Schmitt in seiner Haushaltsrede mit Verweis auf
- das Defizit von 1,3 Mio. € im Ergebnishaushalt
- ein Minus von 5.2 Mio. € im Finanzhaushalt
- eine notwendige Kreditaufnahme in der mittelfristigen Finanzplanung
und die begrenzten personellen Ressourcen
zur Priorisierung von Projekten und zur Achtsamkeit in den politischen Entscheidungen geraten und vorgeschlagen, den Gürtel enger zu schnallen.
Ein Rat, dem man unter den vorgenannten Bedingungen in allgemeiner Form nicht widersprechen kann, der aber von der Verwaltung und Vertretung „Vorhaben-spezifisch“ bewertet und gemeinsam zur Wirkung gebracht werden muss.
Werfen wir aber einen näheren Blick auf die wirklich großen Ausgabenblöcke im Investitionsbereich, so könnte man ohne große Anstrengung zu dem voreiligen Schluss kommen, dass Biebergemünd ein Sanierungsfall ist:
- Die Sanierung Spessartstraße
- Sanierung Bürgerhaus
- Sanierung Wasserversorgung
- Sanierung Friedhofshalle
- Sanierung Filtertechnik Schwimmbad Bieber
- Sanierung und Modernisierung Abwassertechnik
addieren sich auf eine Investitionssumme von rund 25 Mio. €.
Alle diese Projekte stellen Erhaltungs- und Anpassungsmaßnahmen dar, die mit Blick auf die Leistungsfähigkeit der letzten Jahre die Bauverwaltung für die nächsten 3 Jahre – also den Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung – auslasten würden und sich somit als Orientierung für eine Priorisierung und „Beruhigung der Gangart“ empfehlen bzw. aufzwingen.
Ihre jeweilige Notwendigkeit hat sich aus Abnutzung und sinnvoller Modernisierung ergeben. Anders gesagt: Es gehen ihnen keine unachtsamen politischen Beschlüsse voraus. Vielmehr handelt es sich überwiegend um öffentliche Infrastruktureinrichtung mit hohem Nutzen für die gesamte Bürgerschaft.
Hier wird klar ersichtlich, dass es einfacher ist, ein Projekt in die Welt zu setzen, als es nachher zu unterhalten.
Auf diesen Aspekt wollen und müssen wir bei allen neuen Projekten achten.
Natürlich sollte auch bei allen laufenden Sanierungsvorhaben in Konzeption und Ausführung Einsparpotentiale aktiv gesucht und genutzt werden.
Da die mittelfristige Finanzplanung für die nächsten Jahre wieder ein positives Ergebnis ausweist, besteht aus unserer Sicht aber keine systematische Finanzierungsgefahr für die Gemeindefinanzen.
Weiterhin glauben wir, dass die geplanten Mittelabflüsse in 2023 tatsächlich nicht erreicht werden und wir deshalb für 2023 einen ausgeglichenen Ergebnishaushalt erwarten können.
Wenn Biebergemünd für die Finanzierung seiner Projekte die Aufnahme von Krediten ins Kalkül nimmt, dann müssen wir uns fragen, ob die hiesige Kommunalpolitik zu anspruchsvoll geworden ist, oder ob wir unsere Projektentwicklung besser der personellen und finanziellen Ressourcenwicklung anpassen sollten.
Frei nach der Logik des kommunalen Finanzausgleiches könnten wir unsere Einnahmen natürlich durch Schließen der Lücke zwischen fiktiven und realen Steuerhebesätzen verbessern, indem wir die diese erhöhen würden.
Viele Nachbarkommunen können ihren Aufgaben, mangels Steuereinnahmen, nur durch Erhöhung dieser Hebesätze noch nachkommen.
Dies ist ein Weg, der für Biebergemünd, eine Gemeinde mit hohem Steueraufkommen, und für uns als SPD-Fraktion nicht in Frage kommt.
Bleibt noch die Frage zu klären, ob Biebergemünd mit seinem hohen Steueraufkommen doch eine Kreditfinanzierung für seine Projekte ins Auge fassen sollte, also den lokal nicht erklärten Weg der Schuldenbremse auf kommunaler Ebene verlassen sollte.
Die SPD-Fraktion will die zwei vorgenannten Methoden ausschließen und schlägt zur Überwindung unserer – möglicherweise nur temporären – knappen Personal- und Finanzsituation folgende Schritte vor:
- Projekte nach klaren, nachvollziehbaren Kriterien zu priorisieren
Hier sehen wir uns im Grundsatz einig mit den Forderungen von Bürgermeister Schmitt, weisen aber noch auf die Bedeutung der parlamentarischen Abstimmung und der anzulegenden allgemein nachvollziehbaren Kriterien hin. Pflichtaufgaben, Daseinsvorsorge, Nutzen für die Allgemeinheit, Zukunftssicherung Generationen- und Ortsteil-gerecht etc.
- Umsetzung einer zielgenauen Projektspezifikation und Begründung (Forderung nach „Achtsamkeit“ von Bürgermeister Schmitt)
Hier sehen wir tatsächlichen Handlungsbedarf und nehmen uns dabei weiterhin selbst in die Pflicht. Obwohl wir in allen unseren substantiellen Anträgen nie ein Projektziel unmittelbar definieren, sondern immer den Weg über Statusaufnahme à Konzeptfindung à Beratung à Entscheidung, also einen Prozess vorschlagen, der gemeinsam begangen wird.
Wo sehen wir wesentliche Defizite?
- Wir haben versäumt die Vereinsförderung zu deckeln
- Wir sehen Projektentwicklungen ohne eindeutig definierte, abgestimmte Randbedingungen (Budgetvorgabe, detaillierte Projektziele, Konzeptvernetzung, Prüf- und Qualitätskriterien etc.) und schaffen es in Beratungen nicht, diese im möglichen Umfang zu generieren.
- Einführung eines effektiven Multiprojektmanagements.
Die Systematik unserer Projektverfolgung ist nach unserer Einschätzung nicht effektiv. Zwar wurde uns nach Anfrage eine Einsicht in eine Projektliste mit wichtigen Grundinformation und Statusampeln vorgestellt. Diese Liste gibt nach unserer Einschätzung keine systematische „just in time-Arbeitsmethodik“ wieder, sondern muss auf Bedarf sicher aufwendig generiert werden. Für viele politische Überlegungen wäre ein schneller Blick in den Status aktiver Projekte hilfreich und klärend, dieser ist in der heute technisch möglichen Form aber nicht verfügbar. Zeit-Eckdaten für die Projektumsetzung werden selten definiert und können deshalb nicht gegeneinander abgeglichen werden.
- Weitgehende Synchronisation der Projektausgaben an die Personal- und Finanzressourcen
Dieser Vorschlag ist wahrscheinlich der simpelste, vielleicht auch der energieärmste. Er überlässt die Umsetzungsregie und -geschwindigkeit den jeweiligen Bedingungen. Aber er sollte ohne Steuererhöhung und Kreditaufnahme unsere Projektumsetzung optimieren können und entspricht in vielen Aspekten einer vorsichtigen Investitionsstrategie und ist deshalb auch Bestandteil unseres Konzeptes.
Den noch zu mobilisierenden Schatz zur Steigerung der Effizienz in unserer Projektumsetzung sehen wir aber in den Schritten 1-3 und stimmen darin mit den Vorstellungen des Bürgermeisters überein, fordern aber auch, deutlich, eine Erweiterung.
Alle Fraktionen sind gemeinsam mit viel Aufmerksamkeit die Positionen des Haushaltsentwurfes durchgegangen, haben Verständnisfragen, auffällige Veränderungen in durchgängigen Positionen oder in der Plausibilität sowie Geschäftsfragen und Priorisierungen in den Ausschüssen diskutiert und dort dem vorgelegten Haushaltsentwurf 2023 zugestimmt.
Natürlich ist die Prüfung und die Bewertung der Jahreswirtschaft dadurch nicht vollständig und wird aufgrund vieler Dynamiken nie endgültig möglich.
Bis zur Vorlage des Haushaltsentwurfs 2024 haben wir jetzt ein halbes Jahr Zeit, die parlamentarischen Vorstellungen und Vorgaben für dessen Ausrichtung zu erarbeiten und einzubringen.
Unsere Leitlinien hierzu sind
- Einspar- und Zuschusspotentiale identifizieren und einarbeiten
- keine Steuererhöhungen
- keine mittelfristige Kreditaufnahme
- Verbesserung im Personalbestand
- Anpassung der Investitionen an unsere Personal- und Finanzressourcen
- Effizienzsteigerung in der Projektbearbeitung
- Intensivierung und Optimierung der Gremienarbeit mit offener und transparenter Entscheidungsfindung
Es bleibt abschließend noch zu erklären, dass Biebergemünd natürlich doch mehr als ein Sanierungsfall ist, denn fast jede der vorgenannten Sanierungen erreicht einen zeitgemäßen Modernitätsabschluss.
- Die Sicherung der Hausarztversorgung sowie die Schaffung einer Tagespflegeeinrichtung erweitern und sichern unsere Daseinsvorsorge.
- Wir freuen uns über den Start der Arbeitsgruppe „Jackelsmühle – aktivierende Konzeptentwicklung“ und erwarten hier aber auch eine zeitnahe Beratung in den Fachausschüssen.
- Mit der Personalstelle Umwelt- und Klimaschutz hoffen wir auf wesentliche Initiativen zum Erhalt unserer natürlichen Umgebung.
- Für das weitreichende Zukunftsprojekt „Erweiterung des Baugebietes Burgwerksrain“ hat der Gemeindevorstand beschneidende Ideen entwickelt, deren Richtigkeit sich in Ausschussberatungen noch erweisen muss, zudem stehen sie im Widerspruch zur Beschlussfassung der Gemeindevertretung. Die Weiterentwicklung des Neubaugebietes Burgwerksrain hat für uns eine sehr hohe Priorität.
Wir stimmen dem Haushaltsentwurf zu und sehen darin die Plattform, aus der heraus die Gemeindevertretung – die in ihrer Zuständigkeit liegenden – Entscheidungen weiter präzisieren kann.