Die anstehende Sanierung des Bürgerhauses an der Grünen Mitte in Kassel gibt in vielerlei Hinsicht berechtigten Anlass für Fragen und Bedenken. So gibt es denn auch durchaus schönere Aufgaben als eine Sanierung und niemand reißt sich um ein solches Sanierungsprojekt, wie der von der Gemeinde beauftragte Architekt und freie Sachverständiger für Schäden an Gebäuden für die Auftragsnehmerseite bereits festgestellt hat. Das Gleiche darf durchaus auch von der Auftraggeberseite und der Biebergemünder Politik her behauptet werden.
Es ist bekannt, dass Gebäudestrukturen – wie das Bürgerhaus – über Nutzungszeiträume von 40 bis 50 Jahren wertmäßig abgeschrieben werden. An zahlreichen Beispielen wie dem Alten Rathaus, der Kita Kassel oder dem DGH Breitenborn haben wir bereits erkennen müssen, dass die Bausubstanz und Funktionalität dem Buchwert wirklich folgt. Die daraus resultierende Fragestellung, ob eine Sanierung oder ein Neubau sinnvoller ist, hat die Gemeindevertretung wiederholt vor Augen gehabt und sich dreimal für einen Abriss entschieden. Erst im Fall des Bürgerhauses ist eine Sanierung in der Dach- und Fassadenhülle zum Mittel der Wahl erklärt worden. Dabei muss man sich bewusst sein, dass ohne die im Jahr 2010 im Zuge eines massiven Konjunkturprogrammes zur Wirtschaftsbelebung vorgenommene Teilsanierung nun sicherlich die Entscheidung für einen Abriss des Gebäudes mit seinen 34 Ecken gefallen wäre.
Dabei zeigt sich einmal mehr, dass es vergleichbar einfach ist, ein neues Bauprojekt zu realisieren. Allzu oft wird leider unterschätzt, wie zehrend die Unterhaltung solcher Objekte über viele Jahrzehnte dann ist und dass nach 40 bis 50 Nutzungsjahren wahrscheinlich wiederum über einen halben oder ganzen Abriss zu entscheiden ist.
In diesem Fall stehen aber laut der Kostenberechnung durch das Architekturbüro 5,9 Mio € für die Sanierung einer Kostenschätzung für einen Neubau von ca. 10 Mio € gegenüber. Der große Abstand zwischen den voraussichtlichen Kosten einer Sanierung zu einem äquivalenten Neubau hat dabei natürlich die Entscheidung der Politik relativ leicht gemacht.
Der beschlossene Einstieg in die Sanierung setzt dabei aber natürlich voraus, dass wir uns auf die Richtigkeit und die Vollständigkeit der Kostenrechnung verlassen können. Denn was wir hier in Biebergemünd auf keinem Fall erleben wollen, ist, dass wir uns mit einer leicht vertretbaren schön gerechneten Investitionssumme in ein Sanierungsprojekt locken lassen, dass sich im Zuge der Umsetzung zu einem Fass ohne Boden entwickelt. Dieses Risiko ist bei komplexen Sanierungsmaßnahmen gegenüber Neubauten generell deutlich höher einzuschätzen.
Dies war der originäre Grund dafür gewesen, dass wir vor vielen Jahren einen Grundsatzbeschluss gefasst haben, wonach die Gemeindevertretung die Freigabe von Investitionen über 200.000 € nur auf der Basis einer Kostenberechnung und nicht einer bloßen Kostenschätzung vornehmen darf. Mit dieser Strategie haben wir in den letzten Jahren viele große Projekte ohne große finanzielle Überraschungen abwickeln können. Zwischen Rechnung und Entscheidung einerseits und Umsetzung andrerseits darf dann natürlich nicht viel Zeit verloren gehen. Das gilt verstärkt bei der heute vorliegenden Preisdynamik auf dem Bausektor.
Das beauftragte Planungsteam hat über 2 Jahre durch Rückbau und Einsichtnahme eine intensive, systematische Ermittlung des Sanierungsbedarfes vorgenommen und darauf die Kostenberechnung begründet. Die Vollständigkeit und Richtigkeit der Kostenrechnung ist damit schlechthin das Qualitätskriterium unserer Entscheidung und begründet auch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Gemeinde und dem Planungsteam. Genau um dieses Vertrauen hat der beauftragte Architekt auch gebeten. Wir sind gerne bereit, dem Planungsteam ein konstruktives Vertrauen entgegenzubringen, ohne dabei ins blinde Vertrauen zu wechseln.
Wie auch der Architekt möchten auch wir uns gegen den Anbau von kleinen Baukörpern an die Hülle aussprechen, zumal wenn damit nur toter Lagerraum und im Gegenzug das Erscheinungsbild des Bürgerhauses sicher beschädigt wird.
Was uns in der vorgeschlagenen Sanierungsplanung sehr gefällt, ist, dass wir nicht nur nach dem Prinzip „Aus alt mach neu“ vorgehen, sondern dass innovative Nutzungserweiterungen und smarte und moderne Adaptionen für neue Funktionalitäten vorgesehen sind. Wir begrüßen die vorgebrachten Modernisierungsideen, die mit der Sanierung einhergehen: eine zeitgemäße regenerative Heizungsergänzung, mehr Räumlichkeiten für die Vereine, ein vergrößertes und verbessertes Raumangebot für die Gastronomie mit einem Küchenneubau, die Regenwassernutzung, die Installation von PV-Anlagen sowie ein Vordach zu Grünen Mitte hin.
Weiterhin gehen wir davon aus, dass die Bereitschaft zur Bewirtschaftung einer qualitativ verbesserten und deutlich vergrößerten Gastronomiefläche mit dem Betreiber geklärt ist und dass es hier zu einer proportionalen Anpassung des Mietpreises kommen muss.
Wir hoffen, dass, alles, was an unserem Bürgerhaus früher gut war, zukünftig noch besser wird, und vor allem, dass das Veranstaltungswesen in Biebergemünd belebt wird.
Zudem hoffen wir, dass wir am Ende der europaweiten Ausschreibung der Planungsleistung unser bisheriges Planungsteam frühestmöglich mit der Genehmigungs- und Umsetzungsplanung beauftragen können und mit den Arbeiten zur Sanierung wie geplant bereits im Mai 2023 begonnen werden kann. Das Ende der Stilllegung der größten und bedeutsamsten Räumlichkeit in Biebergemünd sollte für jeden nachvollziehbar den Vorrang dieser Sanierungsmaßnahme gegenüber unseren vielen weiteren kommunalen Großprojekten begründen. Gründlichkeit und Qualitätskontrolle sollen während der Bauzeit dann aber auf jeden Fall vor Schnelligkeit gehen.
Die Notwendigkeit zur Sanierung ergibt sich für uns aus der der notwendigen langen Nutzungszeit verbunden mit modernen Adaptionen und neuen Funktionalitäten. Dabei müssen wir uns jedoch auch stets bewusst bleiben, dass der Eintritt in diesen Entscheidungsprozess durch schwer nachvollziehbare bauliche Ausführungsfehler in der letzten Sanierung bedingt wurde. Eine kritische Bewertung der Gründe für die Sanierung sowie die Betrachtung der Handlungsalternativen hat uns aber davon überzeugt, alle Energie in die anspruchsvolle Herrichtung unseres Bürgerhauses zu leiten. Diese Entscheidung entspricht nicht einer oberflächlichen Vergesslichkeit gegenüber gemachten Fehlern, sondern folgt einem pragmatischen Realitätssinn.
Wir gehen davon aus, dass wir mit der Beauftragung der Genehmigungs- und Ausführungsplanung in Bezug auf die heute vorliegende Kostenrechnung auch in die Projektkontrolle einsteigen. Als Beispiel hierfür weisen wir auf die Arbeit der Baukommission „Grüne Mitte“ hin. Hier wurden aufgrund von Prognosen alle Abweichungen in den bezifferten Kostengruppen durch das Team einer technischen und finanziellen Bewertung unterzogen und – wenn sie richtig und sinnvoll waren – dem Gemeindevorstand zu Genehmigung vorgeschlagen. Voraussetzung für ein solches Vorgehen ist die notwendige Sachkompetenz des Kontrollgremiums.
Wir stimmen dem Sanierungsplan und der vorgeschlagenen Vorgehensstrategie auf Basis der vorliegenden Kostenrechnung zu, empfehlen aber dringend das Projekt in enger Abstimmung mit dem Planungsteam zu begleiten. Wir wissen um die Schwierigkeit der Aufgabenstellung und wünschen dem Projektteam ein erfolgreiches Einhalten der Ziele, Termine, und des Budgets sowie vor allem einen unfallfreien Bauverlauf.